Mit Recht gegen die Macht: Unser weltweiter Kampf für die Menschenrechte by Wolfgang Kaleck

Mit Recht gegen die Macht: Unser weltweiter Kampf für die Menschenrechte by Wolfgang Kaleck

Autor:Wolfgang Kaleck [Kaleck, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Wolfgang Kaleck, Menschenrechte
ISBN: 9783446249448
Google: h69jrgEACAAJ
Herausgeber: Hanser Berlin
veröffentlicht: 2015-09-27T22:00:00+00:00


Ruinen in Monrovia

Liberia 2005

Wir haben es eilig. Thompson weist unseren Chauffeur an, das No-Enter-Schild zu ignorieren und direkt bis vor die Abflughalle zu fahren, obwohl dort das Parken auf Militärfahrzeuge beschränkt ist. Wir stoppen, wollen aussteigen, da stürmen mehrere Polizeioffiziere entschlossen auf uns zu. Sie schreien uns an, wir diskutieren, die Polizisten schreien lauter. Wir steigen aus, verhandeln, schließlich dürfen wir nach einer wüsten Debatte mein Gepäck ausladen, bevor ein noch entschlossenerer Polizist erscheint und uns wütend wegscheucht. Alltag am Roberts International Airport in Monrovia. Gleich geht, nach einer Woche in Liberia, mein Rückflug nach Brüssel.

Der Weg zum Abfluggebäude führt durch ein Spalier von Uniformierten und ist Passagieren vorbehalten. Thompson scheitert bereits an der ersten Sperre. Julia ist weiß, blond und trägt einen Teil meines Gepäcks, sie wird als meine Begleiterin geduldet. Bei der nächsten Sperre wollen sie Tickets sehen, wir behaupten, nur elektronische zu haben. Bei der übernächsten – alles noch vorm Check-in-Schalter und der Sicherheitskontrolle – fliegen wir auf. Nur ich habe ein Ticket. Ich gebe Julia als meine Verlobte aus, wir wollen die letzten Momente miteinander verbringen – ein Argument, das hier und anschließend bei allen weiteren Kontrollen auf großes Verständnis stößt. Fast überall werde ich nach einem Geschenk gefragt, ich lächle naiv und tue so, als würde ich nichts verstehen. Ich checke ein. Wir wollen wieder hinausgehen, damit ich mich in Ruhe von meinen Begleitern der vergangenen Tage verabschieden kann. An jeder Kontrolle beginnen die Verhandlungen erneut – Ticket, Geschenke, Verbote. Ich behaupte, die Sicherheitsleute weiter hinten hätten mir die Erlaubnis zum Verlassen des Gebäudes erteilt. Irgendwann sind wir endlich in einem Wartebereich im Freien: Thompson Ade-Bayor, der Präsident der liberianischen Menschenrechtsliga, Julia Littmann von der Internationalen Liga für Menschenrechte in Paris und ich. Um uns herum sind Polizisten, Sicherheitskräfte, Verkäufer, Geldwechsler, Bettler. Und alle wollen etwas von uns.

Korruption war – neben den Menschenrechten – das große Thema dieser Reise im August 2005, meiner ersten nach Afrika. Es begann mit einem Anruf der Internationalen Liga für Menschenrechte in Paris und der Frage, ob ich eine Delegation nach Liberia leiten wolle. Liberia, eingekeilt zwischen den anderen Bürgerkriegsstaaten Guinea, Sierra Leone und der Elfenbeinküste, ein Land, über das der Economist schrieb, dass es das schlimmste Land der Erde sei. Jedes nur erdenkliche Übel der Gegenwart ist hier zu Hause: Massaker, Folter, Polizeigewalt, Massenvergewaltigungen, abgeschlagene Gliedmaßen, Kriegsverbrechen, Sklavenhandel, Prostitution, Kinderarbeit, Kindersoldaten, Drogenhandel, Waffenhandel, Plünderung der natürlichen Reichtümer, Vergiftung der Umwelt, Korruption. Die Berichte der Menschenrechtsorganisationen über die langen Jahre des Bürgerkriegs sind gefüllt mit schauderhaften Details. Doch Pflichtgefühl und Neugier überwogen, und so sagte ich zu.

Nach meiner Ankunft in Monrovia traf sich unsere kleine Delegation im Hotel. Julia Littmann, immer in Flip-Flops, immer lachend; der zurückhaltende Philosophielehrer und Menschenrechtler Badíe Hima aus Niger; und ich, der deutsche Anwalt ohne Afrika-Erfahrung. Unsere Aufgabe: gemeinsam mit Thompson Ade-Bayor und seinem jungen Kollegen Bill Pyne für einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Liberia kurz vor den Wahlen im Oktober des Jahres recherchieren. Der Bericht soll in internationalen Foren zur Information über die Lage in Liberia dienen, auch im Hinblick auf politische Verhandlungen nach den Wahlen.



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